Inszenierungen

Mittwoch, 22. November 2006

"Ooooo Thello!" oder: Was hätte Shakespeare dazu gesagt?

Gestern Abend waren wir in einer Othello-Inszenierung in Düsseldorf. Es war ein kleines Experiment, denn ein Opernbesuch bei "König Lear" mit beabsichtigten disharmonischen Klängen und keinem geraden Ton, die mich damals dazu gebracht hatten, in der Pause zu verschwinden, hatte mich vor einiger Zeit gelehrt, dass Shakespearedarstellungen heute den ursprünglichen Werken nicht gerecht werden - so finde ich. Ich hatte mich dennoch richtig darauf gefreut, denn die Geschichte dieses schwarzen Mannes aus Venedig hat mich regelrecht begeistert und Ausnahmen bestätigen ja bekanntermaßen die Regel. Selbstverständlich war mir klar, dies würde eine moderne Inszenierung, die ich eigentlich allesamt nicht mag, da sie mir meist zu puristisch sind und - so nehme ich an - meinen Geist offenkundig übersteigen, da ich gewisse Elemente darin einfach nicht nachvollziehen kann (wie beispielsweise ein mit Kreide geschriebener Text an die Kulissenwand oder zweifelhaft erfolgreiche Textzeilen aus bekannten Liedern Roberto Blankos). Ich stehe auf klassische Inszenierungen und ich finde, gerade bei Shakespeare sollte man doch eng am Original bleiben.

Fand der Regiesseur des Stückes gestern wohl nicht. Das Bühnenbild war, na, sagen wir mal, sehr reduziert, es gab ganze zwei Kulissen U-(, die allerdings ebenfalls recht minimalistisch, zumindest von der Gestaltung her, gehalten waren: Eine Wand bestand quasi aus Kassetten, die verschiebbar waren. In den sich dann öffnenden Mini-Kästchen (wie beim Adventskalender) standen dann immer wieder die Schauspieler (die eigentlich für die Vorgaben, die sie hatten, recht gut waren). Dies blieb so bis zum Ende des ersten Aktes. Danach gab es eine halbrunde Bühne mit blauem Kassettenwand-Himmel.

Der Text war bis auf einige wenige Elemente extrem in die heutige Sprache adaptiert (es waren solche Textfetzen wie "Ein bißchen Spaß muss sein!" enthalten), die Kostüme und ähnliches deuteten grob auf die fünfziger Jahre hin. Lediglich die Musikstücke, die an die Siebziger erinnerten, waren meist recht gut.
Aber dennoch gab es genug Elemente, die dieses Stück meiner Meinung nach verhunzt haben, mir hat es nicht gefallen:
Unter anderem wurden einige Gespräche oder Figuren vollends ausgelassen (wie das Gespräch zwischen Desdemona und Jago über die Frauen), sogar ganze Figuren und Handlungsstränge waren einfach nicht vorhanden: Bianca, die Hure, gab es schlichtweg nicht. So kam es auch, dass Othello nur den Cassio beobachtete, wie er das Taschentuch verwendete und nicht, wie im Original vorgesehen, Cassio im Gespräch mit Jago und die hinzukommende Bianca mit dem Taschentuch in der Hand.
Die arme Desdemona war statt der geradlinigen Frau (mein Leseeindruck) ein blödes kleines Mädchen (jedenfalls zeitweise) und wurde am Ende nicht einfach erwürgt, nein, sondern minutenlang ersäuft (Der vordere Teil der Bühne bestand tatsächlich aus Wasser, sehr zur Betrübnis der teuer bezahlenden Gäste in der ersten Reihe). Emilia, deren Name niemand wusste, der sich nicht vorher informierte, weil der im Stück gar nicht fiel, war meiner Meinung nach so überspitzt dargestellt, dass es schlichtweg übertrieben wirkte. Ok, Othello war zudem weiß und relativ schmächtig, also eigentlich nicht so, wie man sich einen großen, schwarzen General vorstellt, aber damit kann man sich ja arrangieren, ist ja kein Ding.

Einige gute Elemente, wie das buchstäbliche und beabsichtigte Bröckeln der zweiten Kulisse, eine halbrunde Bühne mit idyllischem, blauen Hintergrund, und ein paar gute Dialoge respektive Darstellungen, konnten meinen Eindruck trotzdem nicht mehr retten. Diese Inszenierung hat sich - meiner Meinung nach - zu sehr auf das Element "Rassismus" in "Othello" gestürzt - dabei ist das nicht der Hauptsapekt, sondern einer von vielen.

Vielleicht war mein Geist ja nicht offen genug oder ich bin einfach nicht bewandert genug, um solche Inszenierungen gut zu finden. Vielleicht solltet Ihr euch selbst mal einen Eindruck machen.

Ich persönlich fühlte mich in meiner Meinung, dass moderne Inszenierungen einfach nicht mein Ding sind, wieder einmal bestätigt.
Ich frage mich jetzt: "Was hätte Shakespeare nur dazu gesagt?"

Ich lese nicht

hat mal eine im Fernsehen gesagt. Unerhört - fand ich. Deshalb schreibe ich hier über Bücher.

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Ich lese


William Shakespeare, Frank Günther
Othello. (Gesamtausgabe, 19)



Chaim Potok
Die Erwählten


Hakan Nesser, Gabriele Haefs
Der Tote vom Strand.

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Meine Kommentare

Echt? Man darf mehrere...
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